Gedicht zu Weihnachten am 19. Dezember (19.12)

Gedicht zu Weihnachten am 19. Dezember (19.12)

Dem Jesuskind

Ermuntre dich, mein schwacher Geist,
Und trage groß Verlangen,
Ein kleines Kind, das Vater heißt,
Mit Freuden zu empfangen.
Dies ist die Nacht, darin es kam
Und menschlich Wesen an sich nahm,
Dadurch die Welt mit Treuen
Als sein Braut zu freien.

Willkommen süßer Bräutigam,
Du König aller Ehren!
Willkommen, Jesu, Gottes Lamm!
Ich will dein Lob vermehren!
Ich will dir all mein Leben lang
Von Herzen sagen Preis und Dank,
Dass Du, da wir verloren,
Für uns bist Mensch geworden.

O großer Gott! Wie konnt’ es sein,
Dein Himmelreich zu lassen,
Zu springen in die Welt hinein,
Da nicht denn Neid und Hassen?
Wie konntest du die große Macht,
Dein Königreich, die Freudenpracht,
Ja Dein erwünschtes Leben
Für solche Feinde geben?

Ist doch, Herr Jesu, Deine Braut
Ganz arm und voller Schanden:
Noch hast Du sie Dir selbst getraut
Am Kreuz, in Todesbanden:
Ist sie doch nichts als Überdrieß,
Flucht, Unflat, Tod und Finsternis:
Noch darfst du ihretwegen
Dein Zepter von Dir legen.

Du Fürst und Herrscher dieser Welt,
Du Friedenswiederbringer,
Du kluger Rat und tapfrer Held,
Du starker Höllenzwinger!
Wie ist es möglich, dass Du Dich
Erniedrigest so jämmerlich,
Als wärest Du im Orden
Der Bettler Mensch geworden?

O großes Werk, o Wundernacht,
Dergleichen nie gefunden!
Du hast den Heiland hergebracht,
Der alles überwunden:
Du hast gebracht den starken Mann,
Der Feuer und Wolken zwingen kann,
Vor dem die Himmel zittern
Und alle Berg’ erschüttern.

O bleicher Mond, halt eiligst ein
Den bleichen Schein auf Erden!
Wirf Deinen Glanz zum Stall hinein,
Gott soll gesäuget werden;
Ihr hellen Sterne, stehet still
Und horcht, was euer Schöpfer will,
Der schwach und ungewieget
In einem Kripplein lieget.

Brich an, du schönes Morgenlicht,
Und lass den Himmel tragen;
Du Hirtenvolk, erschrecke nicht,
Weil dir die Engel sagen,
Dass dieses schwache Knäbelein
Soll unser Trost und Freude sein,
Dazu den Satan zwingen
Und letztlich Frieden bringen.

O liebes Kind, o süßer Knab’!
Holdselig von Gebärden,
Mein Bruder, den ich lieber hab’
Als alle Schätz’ auf Erden!
Komm, Schönster, in mein Herz hinein,
Komm eilend, lass die Krippe sein:
Komm, komm, ich will beizeiten
Dein Lager Dir bereiten.

Sag’ an, mein Herzensbräutigam,
Mir Hoffnung, Freud’ und Leben,
Mein edler Zweig aus Jakobs Stamm,
Was soll ich dir doch geben?
Ach! nimm von mir Leib, Seel’ und Geist,
Ja alles, was Mensch ist und heißt:
Ich will mich ganz verschreiben,
Dir ewig treu zu bleiben.

Lob, Preis und Dank, Herr Jesu Christ,
Sei Dir von mir gesungen,
Dass Du mein Bruder worden bist
Und hast die Welt bezwungen:
Hilf, dass ich Deine Gütigkeit
Stets preis’ in dieser Gnadenzeit
Und mög’ hernach dort oben
In Ewigkeit dich loben.

Johannes Rist ca. 1651

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