Weihnachtsgedicht für die Mama
Ein Mutterherz
Weihnachten war’s, die schöne Wonnezeit,
wo Millionen Herzen freudig schlagen,
sei es im Geben, sei es im Empfangen,
und Jubel rings und reinste Seligkeit.
Als nun der heil’ge Abend niedersank
aus tiefer, wunderbarer Himmelsbläue
rings auf die stille, schneebedeckte Erde,
und als von allen Türmen nah und fern
in mächtig hehrem Feierglockenklange
des Himmels alte, süße Liebeskunde
die Luft durchzitterte, und als gemach
manch Fenster sich erhellte, als hinaus
strahlende Kerzenpracht des Tannenbaums
mit lustig lautem Kinderjubel drang;
da saß ein Weib allein in ihrer Stube
bei trüber Lampe, eine Witwe war es
in schwarzem Kleide. Stumm die Hände faltend,
so saß sie da und starrte in die Flamme,
und während fern die Glockenklänge tönten,
die Lichter strahlten und die Kinder jauchzten,
blieb es in ihrem Herz still und traurig.
Einst war auch ihre Seele hoch beglückt
durch einen lieben, schönen, blonden Knaben,
ihr Hoffen einst, ihr Stolz und ihre Freude;
doch der war nun seit wenig Monden tot
und lag an seines toten Vaters Seite.
Nun hat sie keinen Christbaum mehr zu schmücken,
nun keiner Seele Freude zu bereiten,
und dieses schönste Fest fürs Mutterherz,
so reich an Wonnen einst, nun reißt es tausend
kaum heile Wunden schmerzlich wieder auf.
So saß sie da und starrte in die Flamme,
in ihrer tiefsten Seele still und öde,
so saß sie da, ganz einsam, ohne Regung.
Da plötzlich kommt ins Herz ihr ein Gedanke;
auf steht sie, seltsam lächelnd, geht hinaus
und kehrt nach einer halben Stunde wieder
mit einem kleinen, grünen Tannenbäumchen
und Lichter auch und Goldschaum, es zu schmücken.
Dann hängt sie Nüsse dran und rote Äpfel,
wie sonst sie pflegte, und als das vollbracht,
holt eine Leuchte sie und zündet diese,
geht dann mit ihrem Bäumchen wieder fort.
Sie eilt durch die hellen Straßen hin,
dann weiter durch die ruhigen der Vorstadt
und immer weiter bis zum stillen Friedhof.
Hoch oben funkelte das Heer der Sterne
herab aus tiefer träumerischer Bläue,
ein selig’ Glänzen ging durch alle Ferne,
und ein hehre Feier war ringsum,
als sollten wieder Wunder sich begeben
und wieder Hosiannalieder klingen.
Und wie so friedlich lag das heil’ge Feld
mit seinen Kreuzen, seinen Totenkränzen
und Leichensteinen unterm Schneegewand,
das alles deckte still und rein und weiß!
Sie aber ging zu einem kleinen Hügel,
dort kniete sie, dann in die harte Erde
steckte mühsam sie den kleinen Baum und zündet
die Lichter an; sie strahlten feierlich
rings auf den weißen Schnee, auch nicht im
kleinsten
Nachthauche bebend, solche Stille war’s.
“Mein Kind, mein liebes, süßes, totes Kind,
sieh her, es hat dir deine arme Mutter
den Weihnachtsbaum gebracht!” Mehr sprach sie
nicht,
doch heftig laut aufweinend sinkt sie nieder
und birgt das heiße, tränenvolle Haupt
tief in den kalten Schnee, ihr Herz zerfleischend
in wilder Lust mit selbstgeschaffner Qual.
So fanden sie die Leute, und sie schalten
und nannten sie unsinnig, hirnverrückt,
hinweg sie zerrend von des Kindes Grabe. -
Es waren Männer, keiner ja verstand
in solcher Wonne und in solchen Schmerzen,
in seiner ganzen Wunderherrlichkeit
das Mutterherz, – das heil’ge Mutterherz.
Hermann Allmers 1821 – 1902
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