Weihnachtsgedichte

Am Weihnachtstag

Still ist die Nacht; in seinem Zelt geboren,
der Schriftgelehrte späht mit finstren Sorgen,
wann Judas mächtiger Tyrann erscheint;
den Vorhang lüftet er, nachstarrend lange
dem Stern, der gleitet über Äthers Wange,
wie Freudenzähre, die der Himmel weint.

Und fern vom Zelte über einem Stalle,
da ist’s, als ob aufs nied’re Dach er falle;
in tausend Radien sein Licht er gießt.
Ein Meteor, so dachte der Gelehrte,
als langsam er zu seinen Büchern kehrte.
O weißt du, wen das nied’re Dach umschließt?

In einer Krippe ruht ein neugeboren
und schlummernd Kindlein; wie im Traum verloren
die Mutter knieet, schlichter Mann rückt tief erschüttert
das Lager ihnen; seine Rechte zittert
dem Schleier nahe um den Mantel noch.

Und an der Türe steh’n geringe Leute,
mühsel’ge Hirten, doch die ersten heute,
und in den Lüften klingt es süß und lind,
verlor’ne Töne von der Engel Liede:
“Dem Höchsten Ehr’ und allen Menschen Friede,
die eines guten Willens sind.”

Annette von Droste-Hülshoff

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An das Jesuskind

Ich steh’ an Deiner Krippe hier,
O Jesulein, mein Leben,
Ich stehe, bring’ und schenke Dir,
Was Du mir hast gegeben.
Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn,
Herz, Seel’ und Mut, nimm alles hin,
Und lass dir’s wohl gefallen.

Du hast mit Deiner Lieb’ erfüllt
Mein Adern und Geblüte;
Dein schöner Glanz, Dein süßes Bild
Liegt stets mir im Gemüte.
Und wie mag es auch anders sein,
Wie könnt’ ich Dich, mein Herzelein,
Aus meinem Herzen lassen?

Da ich noch nicht geboren war,
Da bist Du mir geboren,
Und hast mich Dir zu eigen gar,
Eh ich dich kannt’, erkoren;
Eh ich durch Deine Hand gemacht,
Da hat Dein Herze schon bedacht,
Wie Du mein wolltest werden.

Ich lag in tiefer Todesnacht,
Du wurdest meine Sonne,
Die Sonne, die mir zugebracht
Licht, Leben, Freud’ und Wonne.
O Sonne, die das werte Licht
Des Glaubens in mir zugericht’:
Wie schön sind Deine Strahlen!

Ich sehe Dich mit Freuden an
Und kann nicht satt mich sehen,
Und weil ich nun nicht weinen kann,
So tu’ ich, was geschehen.
O, dass mein Sinn ein Abgrund wär’
Und meine Seel’ ein weites Meer,
Dass ich Dich möchte fassen!

Vergönne mir, o Jesulein,
Dass ich im Geiste küsse
Dein Mündlein, das den süßen Wein,
Auch Milch und Honigflüsse
Weit übertrifft in seiner Kraft,
Es ist voll Labsal, Stärk’ und Saft,
Der Mark und Bein erquicket.

Wenn oft mein Herz im Leibe weint
Und keinen Trost kann finden,
Da ruft mir’s zu: “Ich bin Dein Freund,
Ein Tilger Deiner Sünden;
Was trauerst Du, mein Fleisch und Blut?
Du sollst ja haben guten Mut,
Ich zahle Deine Schulden.

Wer ist der Meister, der allhier
Nach Würdigkeit ausstreichet
Die Händlein, so das Kindelein
Anlachend mir zureichet?
Der Schnee ist hell, die Milch ist weiß,
Verlieren doch beid’ ihren Preis,
Wenn diese Händlein blinken.

Wo nehm’ ich Weisheit und Verstand,
Mit Lobe zu erhöhen
Die Äuglein, die so unverwandt
Nach mit gerichtet stehen?
Der volle Mond ist schön und klar,
Schön ist der güldnen Sterne Schar,
Die Äuglein sind viel schöner.

O, dass doch ein so lieber Stern
Soll in der Krippe liegen!
Für edle Kinder großer Herr’n
Gehören güldne Wiegen.
Ach! Heu und Stroh sind viel zu schlecht;
Samt, Seiden, Purpur wären recht,
Dich Kindlein drauf zu legen.

Nehmt weg das Stroh, nehmt weg das Heu,
Ich will mir Blumen holen,
Dass meines Heilands Lager sei
Auf Rosen und Diolen,
Mit Tulpen, Nelken, Rosmarin
Aus frischen Gärten will ich ihn
Von oben her bestreuen.

Zur Seiten will ich hier und dar
Viel weiße Lilien stecken,
Die sollen seiner Äugelein Paar
Im Schlafe sanft bedecken.
Doch ist vielleicht das dürre Gras
Dir lieber, Kind, als alles das,
Was ich hier nenn’ und denke.

Du fragtest nicht nach Lust der Welt
Noch nach des Leibes Freuden:
Du hast Dich bei uns eingestellt,
An unsrer Statt zu leiden,
Sucht meiner Seele Trost und Freud’
Durch allerhand Beschwerlichkeit,
Das will ich dir nicht wehren.

Eins aber, hoff’ ich, wirst du mir,
Mein Heiland, nicht versagen,
Dass ich dich möge für und für
In, bei und an mir tragen.
So lass mich doch Dein Kripplein sein,
Komm, komm und lege bei mir ein
dich und all Deine Freuden!

Zwar sollt’ ich denken, wie gering
Ich Dich bewirten werde:
Du bist der Schöpfer aller Ding’,
Ich bin nur Staub und Erde.
Doch bist du so ein lieber Gast,
Dass du noch nie verschmähet hast
Den, der Dich gerne siehet.

Paul Gerhardt

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